Unternehmensnachfolge zählt zu den größten Herausforderungen für familiengeführte Unternehmen. Laut Studien gelingt es weltweit nur rund 30 % der Familienunternehmen, den Übergang auf die zweite Generation erfolgreich zu meistern; lediglich etwa 10 % schaffen es in die dritte Generation. In Deutschland suchen bis 2026 rund 190.000 inhabergeführte Firmen eine Nachfolgelösung. Diese Nachfolgewelle stellt den Mittelstand vor erhebliche Probleme – fast 36 % aller übergabereifen Unternehmen finden überhaupt keinen geeigneten Nachfolger, und etwa 25 % der geplanten Übergaben scheitern schon in der Vorbereitungsphase. Angesichts dieser Zahlen wird klar: Die Unternehmensnachfolge ist ein kritischer Moment, der über die Zukunft des Betriebs entscheidet.
Eine Möglichkeit, diese Phase erfolgreich zu meistern, ist die Einrichtung eines Beirats auf Zeit. Beiräte werden oft als permanente Gremien gedacht, doch gerade in solch besonderen Situationen kann ein temporärer Beirat enormen Mehrwert stiften. Ein solches Gremium wird speziell für die Übergangsperiode von ca. 12 bis 36 Monaten installiert und begleitet den Generationswechsel mit geballter Kompetenz, frischem Außenblick und der nötigen Klarheit. Nicht dauerhaft, aber genau dann, wenn es am meisten zählt. Ob bei familieninternen Übergaben, in Vorbereitung eines Unternehmensverkaufs oder wenn die Nachfolgelösung noch völlig offen ist – ein Beirat auf Zeit kann die Weichen richtig stellen und Sicherheit in unsichere Prozesse bringen. Im Folgenden betrachten wir drei typische Einsatzfälle, wie ein temporärer Beirat in der Praxis unterstützt, sowie Empfehlungen für die optimale Besetzung dieses Gremiums.
Einsatzfall 1: Familieninterne Nachfolge
Die Übergabe innerhalb der Familie ist oft von Emotionen, Familiendynamik und unterschiedlichen Erwartungen geprägt. Ein Beirat kann in dieser sensiblen Phase als neutrales Bindeglied zwischen Übergeber- und Übernehmer-Generation fungieren. Das Gremium bringt externe Perspektiven und unternehmerische Erfahrung ein und agiert unabhängig von familiären Bindungen – so kann es als neutraler Sparringspartner zwischen Altinhaber und Nachfolger vermitteln. Gerade weil viele Senior-Unternehmer nur schwer loslassen können, ist der Wechsel des Alteigentümers in den Beirat nicht immer die beste Lösung. Stattdessen empfiehlt es sich häufig, einen familienexternen Experten als Beiratsvorsitzenden einzusetzen, dem sich beide Seiten verpflichtet fühlen – die Kommunikation wird sachlicher und zielorientierter.
Konkret kann ein temporärer Beirat bei einer familieninternen Nachfolge Folgendes leisten:
- Die Übergabe moderieren und Konflikte entschärfen: Durch neutrale Vermittlung verhindert der Beirat, dass familiäre Spannungen eskalieren, und sorgt für einen geordneten Ablauf der Übergabe.
- Beide Generationen als Sparringspartner begleiten: Das Gremium steht Alt und Jung beratend zur Seite, gibt Feedback und schafft Vertrauen, damit beide Generationen an einem Strang ziehen.
- Erwartungen und Rollen klären: Unausgesprochene Erwartungen werden transparent gemacht und klare Rollen für alle Beteiligten definiert, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Den Rückzug der alten Geschäftsführung strukturieren: Der Beirat hilft dabei, den Austritt des Seniors planvoll zu gestalten – welche Aufgaben gibt er wann ab, welche Wissenstransfers müssen erfolgen – sodass die neue Führung schrittweise Verantwortung übernehmen kann.
- Die nachfolgende Generation stärken – ohne sie zu überfordern: Junge Nachfolger erhalten Unterstützung und Zugang zum Erfahrungsschatz des Seniors, gleichzeitig achtet der Beirat darauf, dass sie genug eigenen Gestaltungsspielraum haben und nicht unter zu großem Druck stehen.
Das Ergebnis dieser Maßnahmen ist Verlässlichkeit – nach innen wie nach außen. Intern wissen Mitarbeiter und Familienmitglieder, woran sie sind, und extern – bei Kunden, Lieferanten, Banken – entsteht Vertrauen, dass der Generationswechsel professionell gemanagt wird. Ein gut besetzter Beirat kann so die Zusammenarbeit zwischen Senior und Nachfolger konstruktiv und bei Bedarf vermittelnd begleiten, bis die neue Führung wirklich im Sattel sitzt.
Einsatzfall 2: Vorbereitung auf Unternehmensverkauf
Steht kein familieninterner Nachfolger bereit, wird häufig der Verkauf des Unternehmens in Betracht gezogen. In dieser Situation gilt es, die Firma aus der Perspektive potenzieller Käufer zu betrachten und attraktiv zu positionieren. Ein temporärer Beirat mit externen Experten kann genau dabei helfen. Für Investoren oder Käufer ist die Einrichtung eines Beirats oft ein Vertrauenssignal – es zeigt, dass das Unternehmen professionell geführt wird und die Nachfolgeregelung strukturiert angegangen ist. Das stärkt die Außenwirkung erheblich und kann sogar bei der Finanzierung oder Bewertung im Verkaufsprozess von Vorteil sein.
Ein Beirat auf Zeit kann im Vorfeld einer Veräußerung insbesondere folgende Aufgaben übernehmen:
- Risiken objektiv benennen: Als unabhängiger Dritter spricht der Beirat unbequeme Wahrheiten aus. Er identifiziert Schwachstellen (etwa in Finanzen, Prozessen oder Verträgen), die dem Unternehmer selbst vielleicht nicht aufgefallen wären, und trägt so dazu bei, Deal Breaker frühzeitig auszuräumen.
- Potenziale heben, um den Unternehmenswert zu steigern: Der Blick von außen hilft, ungenutzte Chancen aufzudecken – sei es in der Produktpalette, im Kundenstamm oder in der Organisation. Durch entsprechende Empfehlungen trägt der Beirat dazu bei, den Wert des Unternehmens vor dem Verkauf noch zu erhöhen.
- Das Management auf Investoren vorbereiten: Der Beirat coacht die Geschäftsführung im Umgang mit potenziellen Käufern oder Investoren. Er hilft, eine überzeugende Equity Story zu formulieren, übt mögliche kritische Fragen mit dem Management und stellt sicher, dass dieses in Verhandlungen professionell auftritt.
- Frühzeitig auf professionelle Strukturen und Dokumentation achten: Ein häufiges Manko in mittelständischen Betrieben ist die Dokumentation. Der Beirat drängt darauf, Unterlagen, Kennzahlen und Verträge lückenlos aufzubereiten und ggf. professionelle Strukturen (Controlling, Reporting, Compliance) einzuziehen. Dadurch präsentiert sich das Unternehmen im Verkaufsprozess transparent und geordnet.
Auf diese Weise wird das Unternehmen verkäuflich gemacht und für Käufer deutlich attraktiver. Ein Beirat fungiert hier gewissermaßen als Probe-Investor: Er setzt die Investor-Brille auf und stellt sicher, dass alle wertrelevanten Aspekte optimiert sind. Letztlich signalisiert ein solcher Beirat potenziellen Käufern, dass das Unternehmen professionell aufgestellt ist – was eine höhere Wertschätzung und attraktivere Bewertung am Markt zur Folge hat.
Einsatzfall 3: Noch keine Nachfolgelösung in Sicht
Besonders schwierig ist die Lage, wenn noch unklar ist, wie die Nachfolge erfolgen soll. In vielen Familienbetrieben zögern die Inhaber die Entscheidung hinaus: Vielleicht übernehmen die Kinder irgendwann, vielleicht verkaufen wir doch – mal abwarten. Diese Unentschlossenheit führt leicht zu strategischem Stillstand und belastet alle Beteiligten. Tatsächlich scheitert etwa jede vierte Nachfolge bereits in der Vorbereitungsphase, oft weil Ziele unklar bleiben oder Entscheidungen zu spät getroffen werden. Hier kann ein temporärer Beirat für Struktur, Orientierung und Entlastung sorgen, noch bevor die eigentliche Nachfolgelösung feststeht.
In einer solchen Orientierungsphase leistet ein Beirat auf Zeit wertvolle Dienste, indem er:
- zur Klärung der Zielsetzung drängt: Das Gremium fordert die Eigentümer auf, sich frühzeitig auf ein Zielbild festzulegen – soll das Unternehmen in der Familie bleiben, an Mitarbeiter oder Externe übertragen oder verkauft werden? Durch diese konsequente Fragenstellung wird Hinauszögern erschwert und Klarheit gefördert.
- Optionen realistisch bewertet: Der Beirat hilft, alle Nachfolgeoptionen nüchtern zu beleuchten – inklusive deren finanzieller, rechtlicher und organisatorischer Konsequenzen. So erhalten die Unternehmer eine objektive Entscheidungsgrundlage, statt sich in Wunschdenken zu verlieren.
- für Struktur statt Grübelei sorgt: Anstatt dass die Alt-Geschäftsführung monatelang grübelt und im operativen Tagesgeschäft versinkt, etabliert der Beirat einen klaren Prozess (Zeitplan, Meilensteine, Verantwortlichkeiten) zur Nachfolgesuche. Dieses Vorgehen nimmt Druck aus der Situation und verhindert aktionistisches Hin und Her.
- Ruhe und Entlastung für die alte Führung schafft: Das Wissen, einen erfahrenen Beirat an der Seite zu haben, der mit auf die Firma schaut, verschafft dem Übergeber mentale Entlastung. Er muss die Last der Nachfolgeentscheidung nicht mehr allein schultern. In kritischen Momenten kann der Beirat auch als Interim-Lösung einspringen – etwa temporär Managementaufgaben übernehmen, falls der Unternehmer ausfällt, bis eine Nachfolge gefunden ist.
All dies führt zu einem strukturierten Vorgehen, denn: Wer strukturiert denkt, entscheidet besser. Am Ende dieses Prozesses steht idealerweise eine durchdachte Entscheidung – ob für einen internen Nachfolger, einen Verkauf oder eine andere Lösung – die das Unternehmen zukunftsfähig ausrichtet. Der temporäre Beirat hat dann seine Schuldigkeit getan und kann das Feld räumen, sobald die Weichen gestellt sind.
Die Besetzung entscheidet über den Erfolg
So hilfreich ein Beirat in der Nachfolge auch ist – er kann nur so gut sein wie die Menschen, die in ihm sitzen. Die Zusammensetzung des Gremiums entscheidet maßgeblich über dessen Wirksamkeit. Es gilt: Nicht Status oder Bekanntheit der Kandidaten sind entscheidend, sondern konsequent ihre Kompetenz und Passung zur Aufgabe. Unternehmen neigen manchmal dazu, einfach vertraute Personen aus dem eigenen Netzwerk in den Beirat zu berufen (den langjährigen Hausanwalt, befreundete Geschäftsführer usw.). Doch diese „Beiräte aus Gefälligkeit“ bergen Gefahren: Fehlen Neutralität und frischer Blick, läuft das Gremium Gefahr, nur zum teuren Alibi zu werden. Stattdessen sollten die Mitglieder unabhängig und neutral sein, sich trauen, auch kritische Fragen zu stellen, und über relevante Erfahrung verfügen. Idealerweise bringen sie unterschiedliche Fachrichtungen und Branchenkenntnisse mit, die sich gegenseitig ergänzen.
Bei der Auswahl der Beiratsmitglieder für die Nachfolgephase können sich Unternehmer folgende Fragen stellen:
- Welche Fähigkeiten fehlen uns aktuell? – Benötigen wir z.B. betriebswirtschaftliches Know-how, Branchenkontakte, Digitalisierungsexpertise oder mediatorische Fähigkeiten im Team?
- Wer hat selbst eine Nachfolge erlebt oder professionell begleitet? – Praktische Erfahrung mit Übergaben (sei es als Senior, Nachfolger oder Berater) ist Gold wert und verhindert Anfängerfehler.
- Wer kann vermitteln, ohne zu schonen? – Gesucht sind Persönlichkeiten mit Fingerspitzengefühl und Rückgrat. Ein guter Beirat sagt klar, was gesagt werden muss – auch unbequeme Wahrheiten – und moderiert dennoch fair zwischen den Parteien.
- Wer bringt Ruhe und Tiefe in die Diskussion? – In der Hektik der Nachfolge braucht es besonnene Köpfe, die das langfristige Wohl des Unternehmens im Blick behalten. Wählen Sie Menschen, die für Substanz statt Show stehen.
Kurz gesagt: Weniger Eitelkeit. Mehr Wirkung. Wer im Beirat sitzt, sollte aus den richtigen Gründen dort sitzen – nämlich weil er oder sie dem Unternehmen in dieser Phase echten Mehrwert liefert. Externe Experten mit genau passenden Kompetenzen und hoher Integrität sind hier oft die beste Wahl.
Fazit: Fokus, Erfahrung und Verbindlichkeit – für eine begrenzte Zeit
Die Unternehmensnachfolge ist keine Daueraufgabe, aber eine entscheidende Phase im Lebenszyklus eines Unternehmens. Kein Inhaber muss diese Phase alleine durchstehen. Ein temporärer Beirat bietet die Möglichkeit, in dieser Zeit auf gebündelte Erfahrung und unabhängigen Rat zurückzugreifen. Für einen begrenzten Zeitraum von ein bis drei Jahren bringt er Fokus, Expertise und Verbindlichkeit in den Nachfolgeprozess – mit nachhaltiger Wirkung. Ist der Übergang geschafft, kann das Gremium genauso geplant wieder aufgelöst werden.
In der Zwischenzeit aber hat ein gut gewählter Beirat dafür gesorgt, dass der Generationswechsel nicht dem Zufall überlassen bleibt. Er moderiert, berät und strukturiert, wenn es am wichtigsten ist. So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachfolge gelingt – und das Unternehmen gestärkt in die Zukunft geht. Schließlich zeigt die Erfahrung: Eine Nachfolge, die mit Weitblick, Kompetenz und klaren Strukturen begleitet wird, sichert die Zukunft des Unternehmens weitaus besser als ein einsamer Kampf im stillen Kämmerlein. Man muss die Nachfolge nicht alleine stemmen – und ein Beirat auf Zeit kann genau die Unterstützung bieten, die den Unterschied macht.
Fragen und Antworten zum temporären Beirat in der Unternehmensnachfolge
1. Wie finde ich die passenden Personen für einen temporären Beirat?
Suchen Sie nicht nach Status oder Bekanntheit, sondern nach Kompetenz und Erfahrung. Geeignet sind ehemalige Unternehmer, Manager mit Branchenwissen, Nachfolgeexperten oder Personen, die selbst Übergaben begleitet haben. Empfehlungen aus Netzwerken, Verbänden oder spezialisierten Beratern sind oft die beste Quelle.
2. Welche Rolle spielt die oder der Vorsitzende des Beirats?
Die Vorsitzende oder der Vorsitzende ist Moderator und Taktgeber. Er oder sie strukturiert die Sitzungen, sorgt für klare Beschlüsse und achtet darauf, dass alle Perspektiven gehört werden. Wichtig ist eine hohe Autorität – nicht durch Macht, sondern durch Sachlichkeit, Ruhe und Integrität.
3. Wie viele Mitglieder sollte ein temporärer Beirat haben?
Für Nachfolgeprozesse hat sich eine Größe von 3 bis 5 Mitgliedern bewährt. So ist genügend Kompetenz versammelt, ohne dass das Gremium zu schwerfällig wird.
4. Wie häufig sollte der Beirat tagen?
In intensiven Phasen empfiehlt sich ein Rhythmus von 6 bis 8 Wochen. Zusätzlich können Ad-hoc-Meetings bei wichtigen Entscheidungen stattfinden. Wichtig ist eine klare Agenda und ein verlässlicher Takt.
5. Welche typischen Themen stehen auf der Agenda?
- Übergabeplan und Zeitachse
- Rollenklärung zwischen Senior und Nachfolger
- Finanzielle und rechtliche Vorbereitung
- Kommunikation mit Mitarbeitern und Stakeholdern
- Wertsteigerungsmaßnahmen bei geplantem Verkauf
- Persönliche Entwicklung der Nachfolger
6. Wie wird die Vergütung geregelt?
Die Vergütung sollte angemessen, aber nicht überzogen sein. Üblich sind Tagessätze zwischen 1.000 und 2.000 Euro pro Mitglied oder ein jährliches Pauschalhonorar. Transparenz schafft Vertrauen – besprechen Sie Vergütung und Spesen offen.
7. Ist ein temporärer Beirat rechtlich bindend?
Nein, er ist in der Regel ein freiwilliges, beratendes Gremium. Anders als ein Aufsichtsrat hat er keine gesetzlichen Kontrollrechte. Seine Wirkung entsteht durch Erfahrung, Kompetenz und die Autorität der Mitglieder.
8. Wie lange sollte der Beirat bestehen bleiben?
Die typische Dauer liegt zwischen 12 und 36 Monaten. Ziel ist nicht Dauerhaftigkeit, sondern Begleitung einer klar umrissenen Übergabephase. Nach Abschluss kann der Beirat aufgelöst oder in ein dauerhaftes Gremium überführt werden.
9. Was sind die größten Fehler bei der Einrichtung eines Beirats?
- Mitglieder nach Nähe oder Gefälligkeit auswählen
- Keine klare Aufgabenbeschreibung
- Zu seltene Treffen oder unklare Agenda
- Fehlende Autorität des Vorsitzenden
- Erwartungen nicht vorher besprochen
10. Welche Wirkung hat ein temporärer Beirat nach außen?
Ein gut besetzter Beirat ist ein starkes Signal an Mitarbeiter, Banken, Kunden und potenzielle Käufer. Er zeigt, dass das Unternehmen professionell geführt wird, dass Nachfolge kein Tabu ist und dass die Übergabe strukturiert vorbereitet wird.