Wie Sie die Inhaberabhängigkeit reduzieren und Ihr Unternehmen übergabefähig machen

Dr. David Hoeflmayr

Experte für Unternehmenswertsteigerung

Die bittere Wahrheit im Verkaufsprozess

Viele Unternehmer erleben im Verkaufsprozess eine schmerzhafte Erkenntnis: Ihr Unternehmen ist zu stark von ihnen persönlich abhängig.

Das zeigt sich oft erst dann, wenn Interessenten tiefer nachfragen: „Wer entscheidet über strategische Themen? Wer kennt die wichtigsten Kundenbeziehungen? Wer entwickelt Innovationen und treibt Projekte voran?“ Wenn die ehrliche Antwort lautet: „Das mache ich selbst“, dann schrillen auf Käuferseite die Alarmglocken.

Was jahrelang als Stärke galt – das unermüdliche Engagement des Inhabers, die enge Kundenbindung, das Gespür für den Markt – entpuppt sich in diesem Moment als Schwäche. Denn aus Sicht eines Käufers bedeutet das Risiko: Wenn der Chef morgen nicht mehr da ist, läuft das Unternehmen Gefahr, an Substanz zu verlieren.

Genau diese Abhängigkeit führt zu Bewertungsabschlägen oder sogar zum Scheitern von Verhandlungen. Käufer wollen kein Unternehmen erwerben, dessen Erfolg fast ausschließlich an einer einzigen Person hängt.

Doch es gibt gute Nachrichten: Inhaberabhängigkeit ist kein unveränderliches Schicksal. Sie kann erkannt, adressiert und Schritt für Schritt reduziert werden.


Warum Inhaberabhängigkeit den Unternehmenswert mindert

Käufer bewerten ein Unternehmen nicht nur anhand seiner Zahlen, sondern auch anhand seiner Übertragbarkeit. Ein Geschäft, das ohne seinen Gründer funktioniert, ist attraktiv. Ein Geschäft, das ohne den Gründer zusammenbricht, ist riskant.

Die Konsequenzen sind gravierend:

  • Käufer kalkulieren Risiken ein und reduzieren den Preis.
  • Banken stufen die Finanzierung als unsicherer ein.
  • Earn-Out-Klauseln oder Halteverpflichtungen des Verkäufers werden eingefordert.
  • Im schlimmsten Fall springt der Käufer ganz ab.

Manche Unternehmer empfinden diese Sichtweise als unfair: Schließlich sind sie es, die die Firma groß gemacht haben. Aber aus neutraler Käuferperspektive zählt etwas anderes: die Zukunftsfähigkeit ohne Sie.


Typische Symptome: Wenn alles am Chef hängt

Viele Unternehmer erkennen sich in einem oder mehreren dieser Symptome wieder:

  • Entscheidungen laufen zentral über den Inhaber. Selbst kleine Fragen landen auf seinem Schreibtisch. Mitarbeiter warten lieber, als Verantwortung zu übernehmen.
  • Eine echte zweite Führungsebene fehlt. Stellvertreter existieren nur auf dem Papier, ohne Entscheidungsbefugnisse.
  • Wissen steckt in Köpfen statt in Prozessen. Viele Abläufe sind nicht dokumentiert, sondern beruhen auf persönlicher Erfahrung des Chefs.
  • Finanzen, Strategie, Innovation – alles liegt beim Inhaber. Das Team ist ausführend, nicht gestaltend.
  • Die wichtigsten Kundenkontakte sind Chefsache. Ohne seine Präsenz droht die Kundenbindung zu bröckeln.

Solange der Inhaber aktiv ist, funktioniert dieses Modell oft erstaunlich gut. Aber jeder Käufer erkennt sofort: Das ist kein Unternehmen, das sich leicht übergeben lässt.


Ursachen: Warum Loslassen so schwerfällt

Dass Delegation nicht funktioniert, liegt selten allein an den Mitarbeitern. Es ist ein kulturelles und systemisches Thema.

Kulturelle Ursachen

Viele Inhaber haben eine Kultur geprägt, in der Fehler vermieden werden müssen und Entscheidungen von oben kommen. Mitarbeitende sind es nicht gewohnt, selbst zu entscheiden – und wollen das Risiko nicht tragen. Hinzu kommt das Misstrauen des Chefs, der aus Gewohnheit nachkontrolliert und wieder eingreift.

Systemische Ursachen

Oft fehlen klare Strukturen: keine schriftlich definierten Rollen, keine Prozesse, keine Standards. Mitarbeitende sind dadurch unsicher, was sie entscheiden dürfen und wo ihre Grenzen liegen. Statt selbst zu handeln, warten sie lieber – was den Chef bestätigt, dass er wieder eingreifen „muss“. Ein Teufelskreis.


Ein Schritt-für-Schritt-Plan zur Reduktion der Inhaberabhängigkeit

Der Ausweg liegt in einem bewussten, geduldigen Veränderungsprozess. Loslassen gelingt nicht über Nacht, sondern in kleinen Schritten.

1. Kritische Abhängigkeiten identifizieren

Fangen Sie mit einer ehrlichen Analyse an. Nehmen Sie sich eine Woche Zeit und notieren Sie, welche Aufgaben ausschließlich über Sie laufen. Fragen Sie sich:

  • Welche Kunden würden sofort anrufen, wenn es ein Problem gibt?
  • Welche Projekte könnten ohne mich nicht weiterlaufen?
  • Welche Entscheidungen warten täglich auf meine Unterschrift?

Diese Selbstbeobachtung öffnet vielen Unternehmern die Augen. Sie zeigt schwarz auf weiß, wo das Unternehmen nur durch ihre persönliche Energie funktioniert – und wo Strukturen fehlen.

2. Rollen und Verantwortungen neu definieren

Im nächsten Schritt geht es darum, Verantwortung klar zu verankern. Jede zentrale Funktion braucht eine Person, die sie eigenständig verantwortet. Das bedeutet nicht, dass alles perfekt läuft – aber es muss klar sein, wer zuständig ist.

Erstellen Sie Stellenprofile, die nicht nur Aufgaben aufzählen, sondern auch Entscheidungsbefugnisse enthalten. Ein Mitarbeiter, der weiß, dass er Budgets bis zu einem bestimmten Betrag freigeben darf, wird anders handeln, als einer, der jede Kleinigkeit vorlegt.

3. Verantwortung gezielt übertragen

Delegation funktioniert nur, wenn sie aktiv gelebt wird. Beginnen Sie mit überschaubaren Aufgaben, die Sie bewusst nicht mehr selbst übernehmen. Lassen Sie Raum für Entscheidungen – auch wenn Sie selbst es schneller oder anders gemacht hätten.

Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter soll künftig Angebote erstellen und freigeben. Geben Sie ihm die Vollmacht – und akzeptieren Sie auch, wenn er anfangs länger braucht. Erst durch diese Lernschleifen entwickelt er Routine und Sicherheit.

4. Ein Sicherheitsnetz schaffen

Verantwortung kann nur übernommen werden, wenn Fehler erlaubt sind. Machen Sie klar: Fehler sind Lerngelegenheiten. Führen Sie regelmäßige Feedbackgespräche ein, in denen Erfahrungen offen angesprochen werden. Entwickeln Sie eine Kultur, in der Fragen gestellt werden dürfen – ohne Angst vor Kritik.

So entsteht Vertrauen. Und Vertrauen ist die Basis, damit Mitarbeiter Verantwortung wirklich tragen können.

5. Prozesse und Standards einführen

Delegation funktioniert nur dann nachhaltig, wenn sie durch Strukturen abgesichert ist. Dokumentierte Prozesse, Checklisten, Richtlinien – all das nimmt Unsicherheit.

Schaffen Sie einfache, klare Standards: Wie wird ein Angebot kalkuliert? Welche Schritte braucht eine Reklamationsbearbeitung? Wer genehmigt welche Budgets?

Je klarer die Spielregeln, desto leichter fällt es, Verantwortung zu übernehmen.

6. Dranbleiben und Vorbild sein

Der schwerste Teil für viele Inhaber ist die Konsequenz. Wenn etwas nicht sofort klappt, ist die Versuchung groß, wieder alles selbst zu machen. Genau hier entscheidet sich, ob der Wandel gelingt.

Zeigen Sie, dass Sie Vertrauen schenken. Unterstützen Sie Ihr Team, auch wenn Entscheidungen nicht perfekt sind. Bleiben Sie Vorbild, indem Sie konsequent loslassen.


Was Unternehmer dadurch gewinnen

Der Aufwand lohnt sich – und zwar in mehrfacher Hinsicht:

  • Mehr Freiheit im Alltag: Wer Verantwortung überträgt, gewinnt Zeit. Zeit für Strategie, neue Projekte oder auch das Privatleben.
  • Robustere Organisation: Mitarbeitende entwickeln sich weiter, übernehmen Verantwortung und wachsen in Führungsrollen hinein.
  • Bessere Nachfolgefähigkeit: Ein Unternehmen, das ohne den Inhaber funktioniert, lässt sich leichter an die nächste Generation oder einen Käufer übergeben.
  • Höherer Unternehmenswert: Käufer honorieren Strukturen, die unabhängig vom Inhaber funktionieren. Das Risiko sinkt, der Preis steigt.

Viele Unternehmer berichten, dass sie schon Jahre vor einem Verkauf spürbar entlastet sind, sobald sie diesen Weg gehen. Der Effekt tritt also nicht erst beim Verkauf ein, sondern wirkt sofort.


Die emotionale Dimension: Loslassen ist ein Reifeprozess

Für viele Inhaber ist Loslassen der schwierigste Schritt. Die Firma ist ihr Lebenswerk, sie haben alles selbst aufgebaut. Der Gedanke, weniger gebraucht zu werden, fühlt sich zunächst wie ein Verlust an.

Doch in Wahrheit bedeutet Loslassen Gewinn: mehr Freiheit, mehr Gestaltungsspielraum, mehr Sicherheit für die Zukunft. Ihre Rolle verändert sich – vom Macher zum Gestalter. Sie bleiben wichtig, aber auf einer anderen Ebene.

Gerade für Unternehmer ab 50 ist dieser Schritt entscheidend. Wer frühzeitig Strukturen schafft, hat die Wahlfreiheit: selbstbestimmte Nachfolge, geplanter Verkauf oder neue Aufgaben im Beirat oder als Coach.


Fazit: Übergabefähigkeit ist planbar

Hohe Inhaberabhängigkeit ist einer der größten Wertkiller beim Unternehmensverkauf. Sie signalisiert Käufern Risiko und Unsicherheit – und senkt unmittelbar den Preis.

Die Lösung liegt in einem bewussten Prozess: Abhängigkeiten erkennen, Verantwortung übergeben, Prozesse schaffen, Fehler zulassen und konsequent dranbleiben.

Wer diesen Weg geht, gewinnt doppelt: persönliche Freiheit im Hier und Jetzt – und einen höheren Unternehmenswert für die Zukunft.

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